Montag, 6. März 2017

Antiautoritäre Karnevalsnachlese


 Ich muss heute nochmal eine kleine Nachlese zu Karneval machen. Letzte Woche war ich ja nach Karneval noch lange im Rheinland und hatte keine Zeit die Bilder zu sichten und zu schreiben. Aber jetzt. Die folgenden Bilder sind alle beim Rosenmontagszug in Siegburg entstanden. Alle Bilder habe ich so aufgenommen, dass die Privatsphäre der gezeigten Personen gewart bleibt. D.h. keine Gesichter und darum vielleicht auch den ein oder anderen seltsam anmutenden Bildausschnitt.


 Einige waren ja total überrascht, dass ich Karneval und auch so supertraditionelle Karnevalssitzungen voll abgefeiert habe. Aber ich muss sagen: Es war großartig und passte alles wie Eimer zu meinem Lebensstil. Warum? Darum:






 Stinknormale Menschen stecken sich in Gardeuniformen und hängen sich lustige Orden um den Hals und ans Revers. Sowohl bei der Karnevalssitzung, als auch bei den Umzügen kann man sie bewundern, wie sie lustige Musik machen, Konfetti und Kamelle werfen, Bier und Schnaps trinken. Bei der traditionellen Sitzung wird der steife Armeeauftritt durch den Kakao gezogen. Die Krönung des ganzen Stippeföttche. Herrlich! So wunderbar Antiautoritär! Wer schonmal auf so einer schnöden, ernsten politischen Sitzung gewesen ist, wird auch über den sogenannten Elferrat herzlich schmunzeln können. Und hoppla: ELF- Egalité, Liberté, Fraternité. Es lohnt wirklich sich mal in der Kulturgeschichte des Karneval zu wühlen. Und nicht zu vergessen sind natürlich die traditionellen Rathausstürmungen durch die närrischen Menschen an Weiberfastnacht. Über Weiberfastnacht und Weiber an die Macht, könnte ich sicherlich auch noch ordentlich was erzählen, aber ich lasse es erstmal.


 Aufgesetze Fröhlichkeit wird dem Karneval feiernden Menschen auch gerne mal vorgeworfen. Aber mal im Ernst (haha): Der Appetit kommt beim Essen. Jeder weiß, wie mitreissend das Lachen und Fröhlichsein von anderen sein kann. Einfach mal die Sorgen vergessen. Wenigstens für ein paar Stunden oder Tage. Und auch hier weiß jeder Mensch, dass Gehirnauszeiten wundervoll sein können und eben Trost spenden können.



 Mal abgesehen von der Persiflage auf die Autoritäten hat Karneval ja auch immer andere politische Hintergründe. Die Mottowagen auf den großen Zügen sind sicherlich noch beeindruckender, als diese kleinen beim Siegburger Rosenmontagszug, aber sie finden sich überall: Die guten politischen Botschaften. Selbst auf der Karnevalssitzung konnte Bernd Stelter erst über die Bedeutung von Demokratie reden und zu ihrer Verteidigung aufrufen und danach das berühmte Brusthaarlied anstimmen. Politik kann auch mit Spaß funktionieren. Und vielleicht erreicht man an einem Fest wie Karneval mehr Menschen mit den wichtigen Botschaften als sonst. Denn Karneval ist für alle. Ich habe in diesem Jahr erstaunlich wenig dummes Blackfacing und Indianerkostüme gesehen. Eine Gruppe Menschen mit Ponchos und Sombreros habe ich wohl gesehen. Die hatten sich aber Schilder mit der Aufschrift "Ich zahle die Mauer nicht" umgehängt. Das hat sie in meinen Augen rehabilitiert.






 Karneval ist für alle. Für große und kleine, alte und junge Menschen. Für Menschen mit akademischen Titeln und jene ohne Schulabschluss. Für Menschen mit Säcken voll Geld zuhause und jene, in deren Geldbeute gähnende Leere herrscht. Egal welche Religion und Hautfarbe. Mit der Pappnase im Gesicht ist es egal wer du bist und was du hast. Die Hauptsache ist, du hast Spaß und feierst mit. Alle zusammen. Egalité, Liberté, Fraternité!


 Und wie geil wäre es denn bitte, wenn wie hier Prinz und Siegburgia, die Herrschenden Geschenke mit vollen Armen ans Volk werfen würden?




 All diese Themen werden auch durchaus in traditionellen Karnevalsliedern thematisiert, die alle mitsingen können. Natürlich passt das alles hier eher auf die rheinischen Karnevalstraditionen. Von anderen Karnevals- und Faschingstraditionen habe ich in meinem Leben noch nicht so viel und vor allem so intensiv erlebt. Ich fand es ganz zauberhaft und war unfassbar froh, dass ich mich trotz Erkältung doch aufgerafft habe und mitgemacht habe. Die Erkältung war bei dem ganzen Spaß total vergessen. Nächstes Jahr irgendwie wieder. Auch gerne wieder solche eine traditionelle Sitzung. Wenn das nicht Punkrock ist, dann weiß ich auch nicht. Montagsfreuden, aber sowas von und mit ordentlich Konfetti.

4 Kommentare:

  1. Das hast du sehr treffend beschrieben. Was die Garden anbelangt, ist der Ursprung subversiv, die Gegenwart aber von sehr reaktionären Vorstellungen geprägt. Deshalb wäre das nie mein Ding. Ich kann nur Mitmachen, wenn es so satzungslos wie bei meinem Stammtisch zugeht. Das entspricht eher meinem "Anarchogen" ( O-Ton Tochter ).
    Du wärst echt ein "Fall" für die Stunksitzung und die Veedelszöch 😉.
    Das egalitäre, demokratische am Karneval ist das Anziehende sowie die teilweise deftige Kritik...
    GLG
    Astrid linkshändig

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    1. anarchogen ist ein sehr schönes wort. und das mit stunksitzung denke ich mir wohl oft genug im fernsehen gesehen und veedelszöch habe ich in meinem leben ja schon unzählige mitgemacht. da hast du auf jeden fall recht.
      liebe grüße,
      jule*

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  2. Wie schön, von dir Karneval nahegebracht zu bekommen. Ich freue mich.
    Liebe Grüße,
    Sabrina

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