Mittwoch, 7. März 2018

Ich guck zurück!


 Triggerwarnung: Körperwahrnehmung durch andere, Gewichtsverlust und mal wieder Körperquatsch. 
 Es war noch ein Rest von diesem Stoff da. Einem fabelhaften Menschen hatte ich zum Wiegenfest einen Jullover geschenkt. Der Stoff wurde vom beschenkten Menschen ausgewählt. Augenstoff. Ein Rest blieb nach Fertigstellung des Jullovers noch übrig. Genug für einen Rock für mich (ähem... ja, was denn sonst!?!?!). Der Schnitt ist selbstgebaut. Von der Qualität des Stoffes, der online gekauft wurde, war ich etwas enttäuscht. Sehr dünn für die Bezeichnung "Sweat" und mal sehen, wieviele Wäschen dieser Druck überlebt. Aber das hier ist ja kein Handarbeitswohlfühlblog. Also ran an die Gedanken:


  Was tun Augen? Genau: Gucken. Menschen an. Mich zum Beispiel. Und es fuckt mich ab, wenn aus dem Gucken krude Gedanken werden, die dann auch noch geäußert werden. Gewicht verloren habe ich. Hat der Körper einfach so abgeworfen. Erwähnte ich schonmal. Würde mir die Waage und meine zu großen Klamotten im Schrank mir das nicht sagen, es wäre mir nicht aufgefallen. Achso. Doch. Denn es gibt ja fantastischer Weise Menschen, die einem das gerne mal unter die Nase reiben. Ich HASSE das! Da trifft man entfernt bekannte Menschen an der Kaffeeausgabestation/im Supimarkt/irgendwo in einer beruflichen Situation mit ordentlich Betrieb drumrum und dann geht es los:
- "Du hast aber abgenommen, da muss man sich ja Sorgen machen. Geht es dir gut?" - Das soll ich dir ernsthaft jetzt hier erzählen, obwohl wir uns kaum kennen?
- "Du hast ganz schön abgenommen." -Ach echt? Danke, dass du mich darauf aufmerksam machst.
- "Du bist so zierlich." -Am Arsch die Räuber! Ich geb dir gleich zierlich.
- "Du musst mal wieder mehr essen." -Dann koch mir gefälligst was!
- "Wie dünn willst du denn noch werden?" - Ähm....... MARGH!!!!!
- "Du hast aber auch einen super Körper." - Ja, mit "Komplimenten" ist es auch problematisch, denn es impliziert ja eben auch, dass anders nicht "super" wäre.... *seufz*
 Schublade auf, Mensch rein: Dick - Dünn; Mann - Frau; Hübsch - Hässlich; Behindert - Normal (!!!).....


 Zu fett, zu dünn, irgendwas ist ja immer. Wussten schon die fabelhaften Menschen von inkluWAS... Ab jetzt wird zurückgeguckt. Aber ich denke mir nichts dabei. Ich achte auf meine Gedanken und meine Worte. Äußere Erscheinung? Ist mir doch wumpe! In zu vielen Fällen heißt es ja eh: Du siehst vielleicht ganz gut aus (was auch immer das ist), aber zieh dir bitte einen Papiertüte über deinen Charakter. Meistens macht Charakter hässlich. Wäh! Lasst doch einfach mal diesen Körperquatsch sein. Könnte ich mich ja wirklich nachhaltig drüber aufregen. Über Gewichtszunahmen wird dann ja meistens eher hinter vorgehaltener Hand gesprochen.


 Und was macht das mit den Menschen? Fett muss verteidigt werden, kein Fett muss verteidigt werden. Ja, ich sage verteidigt, denn nichts anderes ist es. Körperkrams ist wie Krieg, da gibt es schlimmstenfalls auch verwundete und am Ende sogar tote Menschen. Es kostet Energie, den eigenen Körper so zu mögen, zu lieben, zu ehren und zu pflegen wie er ist. Egal, wie er ist. Es kostet Energie, die mensch für andere Dinge viel besser nutzen könnte. Gibt es Menschen, die ihren Körper immer schon so gemocht und akzeptiert haben, wie sie ihn mitbekommen haben? Oder wie er sich entwickelt hat? Ein stetiger Kampf. Selbst ich habe erst vor wenigen Jahren aufgehört, an mir selbst rumzumäkeln. Diese letzte Veränderung meines Körpers hat mich auch ein wenig "überrascht" und ich musste die ein oder andere Wahrnehmung mit mir selbst aushandeln. Man verliert nicht einfach so Gewicht und alles ist fein. Pah! Gewichtsverlust soll ja immer so "Yay! Alles besser!" sein. Mitnichten. Und tun diese Kommentare Not? Muss das sein? Gibt es nicht spannendere Dinge, über die es sich zu reden und auszutauschen lohnt? Ich mag Menschen ja eher aufgrund der Tatsache, was sie sind und nicht wie sie aussehen. Und, ja, das hier ist motzen auf hohem Niveau. Rein optisch bin ich ja immer noch eindeutig einem Geschlecht zuzuordnen, bin nicht behindert, habe eine helle Haut, ist alles an mir dran, was irgendwie dran gehört. Da geht der ganze Scheiß ja dann auch ekelhaftest weiter. Ich kann nicht mal ansatzweise erahnen, wie viel Energie es kosten muss, es zu verteidigen, wenn da auch etwas nicht der "Norm" entspricht. Was auch immer diese Norm sein soll, denn "dünn" sein wird ja auch... nunja....


 Ich gucke bei Körperkommentaren jetzt einfach zurück. Mit solche einem leeren Blick, wie ich dieses Thema hohl finde. Ich weiß, was ich mit diesem Körper mit und ohne Fett alles anstellen kann. Es gibt da keinen Unterschied. Meine Energien verwende ich jedenfalls lieber für andere Dinge, als meinen Körper zu malträtieren, zu kritisieren und zu verachten. Selflove! Immer noch! Auch wenn sie sich ein bisschen anpassen musste. Fick dich Diätratgeberecke und Schubladenschrank! Heute in der Mittwochssammlung. Und morgen beim Weltfrauentag! Hört auf meinen Körper zu Kommentieren, ich bin hier nicht zu eurem Entertainment!

7 Kommentare:

  1. Oh, der Stoff ist toll, Farbe und Augen, den Rock würde ich auch sofort anziehen! ;)
    Bei dem Thema muß ich direkt an einen Song von Subhumans denken - "Too Fat, Too Thin". Zum Glück passiert mir sowas selten, oder in England sind sie zu höflich um sowas offen zu fragen. Ich frag mich, warum es so schwer zu sein scheint einfach mal die Fresse zu halten.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. oh geil! danke für den anspieltipp! supersong! vielleicht hat das wirklich was mit dieser "deutschen" direktheit zu tun.... wünschenswert wäre es, wenn sie andernorts einfach schon weiter wären.
      liebst,
      jule*

      Löschen
  2. Einfach mal ein Dankeschön für diesen und ähnliche Texte hier - es regt zum Nachdenken und Reflektieren an, wieviele dieser Gedanken auf sich selbst und die Umwelt bezogen doch in einem drinstecken..

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. danke für deine rückmeldung. und ich schreibe immer wieder und gerne weiter so ;)
      liebe grüße,
      jule*

      Löschen
  3. Hui da bist Du aber wütend auf Deine Mitmenschen. Ja es ist manchmal nervig wenn man glaubt sich erklären zu sollen. Auf der anderen Seite ist es eigentlich ein gutes Zeichen, wenn anderen Menschen Veränderungen auffallen. Es ist gar nicht so leicht Formulierungen zu finden, die jemand nicht irgendwie falsch versthen könnte.... schon ein einfaches "gut siehst Du aus" wird einem manchmal zum Verhängnis, wenn jemand mit gerade krawallig drauf ist. LG Kuestensocke

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. ja, aber evtl. sollte man sich auch gedanken darum machen, ob man in der position ist, bestimmte sachen einfach so anzusprechen...
      liebe grüße,
      jule*

      Löschen
  4. Ich glaube, mich nervt besonders, dass das so unter dem Deckmantel des "Ich bin doch besorgt um dich!" läuft und das dann alles okay machen soll. Ich möchte den Leuten, die so argumentieren, nicht absprechen, dass sie tatsächlich Besorgnis empfinden. Das ist sicher in vielen Fällen so. Sehr wohl möchte ich aber in Frage stellen, ob eigene Besorgnis um eine andere Person übergriffiges Verhalten rechtfertigt.

    Liebe Grüße
    Sabrina

    AntwortenLöschen